Freitag, 28. Dezember 2018

Meditation zum Lobgesang des Simeon, 1. S. n. W., 2018


29 Herr, nun lässt du deinen Diener in Frieden fahren, wie du gesagt hast; 30 denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen, 31den du bereitet hast vor allen Völkern, 32 ein Licht, zu erleuchten die Heiden und zum Preis deines Volkes Israel.
Den Herrn sehen und sterben

Aber nicht wie die Väter und Mütter
Im versengenden Feuer seiner Macht
Nicht wie von Kräften des Vulkans verschlungen
Oder vom glühenden Wind der Wüste
Nicht vom Blitz und vom Wüten des Waldbrandes

Den Herrn sehen und sterben
Aber nicht als Abtrünniger, Frevler, Gestrafter
Nicht als Verworfener verachtet
Nicht unter dem Zorn und unter der wut

Den Herrn sehen und sterben
Nach einem Leben voller Verlangen
Nach Warten und Warten und Warten
Aber auch Glauben und Glauben und Glauben
Immer gegen die Augen,
immer gegen den Schrecken,
immer gegen den Gang der Dinge
immer gegen die Angst
glauben und darum auch
Zweifeln und Zweifeln und Zweifeln
Und Weinen und Fluchen und Stumm sein.

Was die Propheten sagen vom Heil
Vom neuen Reis aus der Wurzel
Vom Kind, dem Prinzen aus David
Von neuer Erde und neuem Himmel
Von fleischernen Herzen und glühender Zunge
Von grünenden Zweigen und himmlischem Tempel
Vom Frieden der Völker und sogar
Der wilden Tiere:
Das Kind mit der Hand in der Höhle der Otter!

Nach einem Leben voller Beten und Fluchen
Psalmen und frommer Gesänge
Harter Arbeit und vergeblicher Mühe
Liebe, Hass, Ärger und Lust
Unter Adams Fluch und Abrahams Segen
Den Herrn sehen und sterben!

Heute:
Voller Glück, das höher nicht sein kann
Weil es das Glück ist
Des inneren Friedens
Der Wahrheit unvergeblichen Wartens:
Der Stempel des Gelingens am Ende des Weges
Und der seligen Überraschung:

Kein Sturmwind, kein Gewitter,
Kein Strafgericht, nicht Krieg,
Kein Schwertheld und
Kein brennender Henker im Namen des Herrn,
Nicht Vernichtung,
Nicht Siebung von Guten und Bösen
Kein Wegwurf von falsch Geborenen
Zur falschen Zeit am falschen Ort im falschen Volk
Keine Verachtung der Schwachen und Zagen
Nicht Abrechnung am Ende der Zeit
Nicht Untergang: keine Apokalypse!

Alles Irrtum, alles falsch, alles vergebliche Angst:
Alles Geschwätz blinder Propheten
Alles Gerede machtgeiler Pfaffen
Alles Lüge falscher Erlöser.

Es kommt ganz anders,
Denn er kommt ganz anders:
Ein Kind kommt,
Neugeboren,
Umglänzt mit dem Glanz aller Kinder
Der seligen Schwäche des Säuglings
Ein Kind unter Kindern
Aus seltsamen Kreisen
Weder palast- noch tempelgeboren
Die Eltern so ziemlich normal
Wie es so zugeht bei Menschen:
Nicht fadengrade, man munkelt.
Die flüchtige Geburt:
Das macht verdächtig
Sieht nicht grade aus
Wie Ankunft des Gottes!

Und man erzählt sich
Von nächtlichen Wundern
Mit Engeln und Hirten,
Was man so redet
Wenn Tage und Nächte lang sind und leer.

Und doch sieht er da
Simeon, der Wartende,
Ein Leuchten, das sonst keiner sieht
Ein Leben lang gewartet
Und den Spott ertragen:
Wann mag er wohl kommen, dein Herr?

Wo bleibt er, Dein Gott?

Und nun ist er, Simeon, ein Prophet
Der den Herrn sieht und sterben kann:
Was er sieht, ist mehr, als jemals gehofft
Was er sieht, ist lächerlich geradezu
Was er sieht, ist unglaublich: das gab es noch nie
Einen heruntergekommen Gott
In Windeln gewickelt
Ein krakeelender Säugling
Der nichts kann und alles braucht.

Jude und unter Juden
Beschnitten und doch:
Heil der der ganzen Welt!

Was Simeon sieht, ist ein Frieden, der mehr ist als kein Krieg
Was Simeon sieht, ist Gott in der Schwäche
was Simeon sieht, ist Gott ganz unten
was Simeon sieht ist ein Kind: siehe, ein Mensch,
dem Tode geweiht, wie alle
 und doch:
was er sieht:
das ende des Todes in dieser Geburt.
Was Simeon sieht:
Ist nichts als Liebe
Radikale Liebe, pures Verströmen,
Gnadenfluss und Frieden der Völker:
Der Anfang vom Ende des Endes.

Nun kann er leben und sterben:
Das Ende der Angst,
Ein Leben vergeblich
Mit Hoffnung verschwendet zu haben:

So sende auch uns, Herr, solche Augen,
Dass wir gehen können:
Dem alten Leben sterben
Dem neuen Leben auferstehen
Neugeboren in der Krippe des Herzens
Und wenn wir schon dabei sind:
Schenke uns auch neue Ohren
Dass wir die Engel singen hören:
Ehre sei Gott in der Höhe
Und Friede auf Erden
bei den Menschen seiner Liebe..
Und schenke uns auch
Eine neue Zunge
Dass wir singen können
Wie Simeon.
Das möchten wir:
Den Herren sehen
Und leben.
Amen.

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